19. Sept. 2024

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Dem Herbst auf der Spur

 Carola Dahmen

Birne, Apfel, Granatapfel, rote und grüne Weintrauben, Mispel, Kürbis, roter Täubling, Brombeere, Feige, Beifuss etc. – Wenn Sie jetzt glauben, dass es sich hierbei um meine Einkaufsliste handelt, dann liegen Sie falsch! Und selbst wenn hinter fast jeder der hier aufgezählten Früchte und Kräuter der lateinische Name stehen würde, so handelt es sich keinesfalls um eine botanische Bestandsaufnahme des Karlsgartens, der im beginnenden Herbst sein buntestes Kleid zeigt. Nein, es sind Früchte, die Sie mit Leichtigkeit auf einem Gemälde des Mailänder Künstlers Giuseppe Arcimboldo (1527 – 1593) entziffern können und die im geschickten Arrangement einen vollbärtigen Mann im Seitenprofil zeigen. Mit Autumn (Herbst) wird es passenderweise tituliert und gehört zum vollständig erhaltenen Zyklus der Vier Jahreszeiten aus dem Jahr 1572, den Arcimboldo für Kaiser Maximilian II. (1527 – 1576) mehrfach malte und der seit seiner Wiederentdeckung durch die Surrealisten zu den meistkopierten und in Replika verkauften Bildern der Welt gehört.

Mehr als ein grilli

Arcimboldo selbst war erst 1562 an den Wiener Hof von Ferdinand I., Maximilians Vater, berufen worden und hatte dort zunächst als Porträtist und Kopist gearbeitet. Nach dessen Tod (1564) ernannte ihn Kaiser Maximilian II. noch im selben Jahr zum Hofmaler und betraute ihn zusätzlich mit der Fertigung von Bühnenbildern und Kostümentwürfen für höfische Feste. Eine Aufgabe, die Einfluss auf die Darstellung seiner von Zeitgenossen durchweg als capricci, scherzi oder grilli bezeichneten Kompositköpfe gehabt haben mag, stellten sie in ihrer Art und Weise doch ein absolutes Novum dar. Aber es gab noch eine gänzlich andere Inspirationsquelle. Sie lässt sich anhand der Exaktheit ablesen, mit der gewisse Einzelmotive von Arcimboldo gemalt wurden und versetzt heute Botaniker und Historiker gleichermaßen in Verzückung, erfahren sie so doch en passent, wann welche Frucht wo zum ersten Mal auftauchte: Denn Maximilian II. war nicht nur ein großer Förderer der Künste und Wissenschaften, er legte insbesondere auch ein großes Interesse für die Botanik an den Tag und verweilte gern in den Gärten seiner Liegenschaften. Von Anfang an als repräsentativer Bestandteil seiner Kunst- und Wunderkammer angedacht, baute er in der Katterburg (heute Schönbrunn) gezielt eine Lebendpflanzensammlung auf. So gehörte zum Beispiel die von Carolus Clusius 1561 von Konstantinopel aus erst nach Prag, dann nach Wien gebrachte und dort erstmals erfolgreich ausgepflanzte Rosskastanie zu den Lebendschätzen der Wunderkammer. Für uns heute eine einheimische Baumart, deren Kastanien unzählige Kinderherzen höherschlagen lassen, damals ein Exot. Ebenso wie der aus Südamerika stammende Kürbis, der dank der Konquistadoren im beginnenden 16. Jahrhundert nach Europa gelangt war.

Arcimboldo muss beide Pflanzen vor Ort in den kaiserlichen Gärten eingehend studiert haben. Denn sowohl die Frucht der Rosskastanie als auch den Kürbis findet man in seinem Gemälde Autumn wieder. Exakt in seiner natürlichen Erscheinungsform gemalt, bildet letzterer den Hinterkopf des Mannes. Die stachlige Schale der Rosskastanie hingegen taucht als Oberbart auf und ihre leicht herauslugenden Früchte formen die Schneidezähne des Mannes. – Lassen Sie sich zum beginnenden Herbstanfang ein auf Arcimboldos hochstpersönliches Capriccio des Herbstes, gehen Sie in und mit seinen Bildern auf Entdeckungsreise. Sie werden es nicht bereuen!

 

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zuletzt bearbeitet am 24.X.2024