10. Okt. 2024
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Wanzen, die das Wasser lieben
Karl Josef Strank
Eine Möglichkeit zu schwimmen ist, im Wasser auf dem Rücken zu liegen, mit den Armen zu rudern und den lang gestreckten Beinen auf und ab zu schlagen. In der Brust- und Kraullage geht es schneller, das Atmen ist aber schwieriger als in der Rückenlage. Dabei schaut man nur nach oben und sieht nicht, was hinter einem passiert. Der anspruchsvollste Schwimmstil nennt sich Butterfly nach der Bewegung der Arme oder Delfin nach der Bewegung des übrigen Körpers. Er ist anstrengend und erfordert viel Übung.
Unter den Insekten gibt es einige, die regelrechte Spezialisten im Rückenschwimmen sind. Sie gehören in die Verwandtschaft der Wanzen. Das gemeinsame Merkmal der Überordnung, der Schnabelkerfen, ist ein stilettartiges, stechend saugendes Mundwerkzeug der als sogenannter Rüssel zwischen den Vorderbeinen der Brust eng anliegt. Neben den Wanzen fallen darunter die Zikaden und die Läuse. Unterschieden werden ferner Landwanzen und Wasserwanzen. Unter ihnen gibt es die Familie der Rückenschwimmer. Im Wasserschöpfbecken des Bauerngartens finden wir in den Sommermonaten regelmäßig den grauen oder gemeinen, weil häufigsten der heimischen, Rückenschwimmer, Notonecta glauca.
Wie alle Rückenschwimmer ist er schnittig gebaut mit breitem Kopf und schmal auslaufendem Hinterleib. Der Rücken ist dachförmig, die Bauchseite flach. Auf dem Rücken liegt er wie ein Boot im Wasser. Der Rücken ist wie bei den Fischen die hellere Seite und hebt sich von unten gesehen wenig gegen den helleren Himmel ab. Die Bauchseite ist dagegen wie der Rücken der Fische dunkler und zeichnet sich gegen den ebenfalls dunkleren Gewässergrund weniger ab. Die langen Hinterbeine sind mit Schwimmhaaren bestückt. Zur Fortbewegung werden sie wie Ruder weit ausholend kräftig geschlagen. Weit ausgestreckt dienen sie der Stabilisation im Wasser. Atemluft wird in zwei Rinnen auf der Bauchseite gespeichert. Sie dient auch dem Auftrieb, wodurch das Insekt leichter wird und sich daher meist dicht unter der Wasseroberfläche aufhält. Die Augen sind wegen der Rückenlage nach unten gerichtet und so lauert der Rückenschwimmer im Wasser treibend auf Beute. Als wendige Jäger fallen sie andere Wasserinsekten, aber auch Kaulquappen, Molchlarven, Fischbrut und kleine Jungfische an, die sie dann aussaugen. Ihr Sehsinn ist gut ausgeprägt, sogar Farbensehen wurde bei ihnen nachgewiesen. Im zeitigen Frühjahr legen die Weibchen ihre Eier unter Wasser in Pflanzenteilen ab. Sie durchlaufen fünf Larvenstadien und die neue Generation ist im Hochsommer erwachsen. Die Imagines, voll ausgebildete Insekten, überwintern.
Sie sind aber nicht auf das Leben im Wasser beschränkt, auch wenn sie dort die meiste Zeit zubringen. Sie können ebenso gut fliegen wie schwimmen. Dazu müssen sie aus dem Wasser kriechen und sich in die Bauchlage begeben. Wenn die Flügel getrocknet sind, starten sie. Die Flüge dienen dazu andere geeignete Wasserlebensräume zu finden. Es ist ratsam, Rückenschwimmer nicht zu ärgern, denn sie können sehr schmerzhafte Stiche setzen. Menschen, die das schon mal erleiden mussten, berichten, dass es sich anfühlt, als würde man auf die Haut einen spitzen Nagel ansetzen und dann mit dem Hammer zuschlagen. Eine nicht erstrebenswerte unangenehme Erfahrung. Wegen der Stiche werden Rückenschwimmer auch als „Wasserbienen“ bezeichnet.
Eine andere Familie, die zu den Landwanzen gehört, zeichnet sich ebenfalls durch eine außergewöhnliche Fähigkeit im, besser auf dem Wasser aus. Sie können über Wasser laufen, ein Wunder, das nur Jesus vollbracht hat. Sie schaffen das, weil sie leicht sind und die Oberflächenspannung des Wassers ausnutzen. Der häufigste heimische Vertreter ist der Teich-Wasserläufer, Gerris lacustris. Er hat eine stabförmige, längliche Gestalt. Die beiden Paare hinterer langer Beine dienen rudernd dem Wasserlaufen und das hintere der Steuerung, das vordere Beinpaar dem Beutefang. Die Oberseite des Körpers ist dunkelbraun bis schwarz gefärbt, die Bauchseite ist mit einem silbergrauen, wasserabstoßenden Haarkleid bedeckt.
Beide Arten und ihre besonderen Fähigkeiten sind den Sommer über häufig auf Wasserflächen in der Natur oder im Garten zu beobachten.
zuletzt bearbeitet am 14.XI.2024