9. Jan. 2025
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Spezereien aus dem Morgenland
Karl Josef Strank
Die Heiligen Drei Könige, die Weisen aus dem Morgenland, deren Reliquien im Kölner Dom ruhen, reisten zum neugeborenen Christkind und ehrten es mit Gold, Weihrauch und Myrrhe. Typischerweise werden sie mit einem Kamel dargestellt, was an die Karawanen denken lässt, die auf den Handelswegen durch die Wüstengebiete des nahen Ostens die exotischen und heißbegehrten Waren ins Abendland brachten. Im nahen Osten entstanden die ersten Hochkulturen der Menschheit und die Römer errichteten ihr Imperium rund um das Mittelmeer. Sie liebten den Luxus und viele Güter bezogen sie aus dem Orient, vor allem Gewürze. Aus dem lateinischen species für „Art“, „Gestalt“ und dem italienischen specierie für „Gewürzwaren“ entwickelte sich der deutsche Name „Spezerei“. Im englischen bezeichnet „spice“ Gewürze. Unter Spezereien verstand man dann ganz allgemein jede Art von Delikatesse. In der Schweiz steht der veraltete Ausdruck Spezerei für Lebensmittel- oder Gemischtwarenläden.
Die Dattelpalme prägt das Bild, wenn wir uns Oasen in der Wüste vor Augen führen. Zur Siedlung gehört(e) immer ein ausgedehnter Palmengarten. Die Palmen kennzeichnet ein schlanker hoher Stamm, auf dem ein dichter Schopf zweizeilig gefiederter Blätter sitzt. Die Dattelpalme braucht hohe Temperaturen, ist in der Lage mit ihren kräftigen Wurzeln Wasser aus bis zu sechs Metern aus dem Boden zu holen und verträgt einen Salzgehalt von bis zu fünf Prozent. Belegt ist der Anbau seit vorgeschichtlicher Zeit. Den Ägyptern galt die Dattelpalme als heiliger Baum. Die Muslime verbreiteten sie über Nordafrika bis Südspanien, wo um 765 n.Chr. die ersten gepflanzt wurden. Die kohlenhydratreichen Früchte spiel(t)en für die Ernährung der Menschen eine wichtige Rolle, vor allem, weil sie getrocknet lange haltbar sind. Die Dattelpalme ist in allen Teilen nutzbar, der Saft der Früchte wird zu Schnaps (Arrak) und der von Stamm und Knospen zu Dattelwein vergoren. Aus den Blättern werden Bürsten, Besen, Polster und Seile hergestellt. Nach Zahlen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) wurden 2021 weltweit 9.656.378 Tonnen Datteln geerntet. In den Palmengärten strukturieren die Palmen das obere Stockwerk, das mittlere wird von Obst- und Strauchkulturen gebildet vor allem Zitrusfrüchte, Granatapfel und Bananen. Am Boden wurden im Winter Getreide und im Sommer Gemüse (Hülsenfrüchte, Kürbisse, Gurken etc.) kultiviert.
Neben der Feige (siehe letzte Kolumne vom 02.01.25) war auch der Weihrauch ein begehrtes Produkt des Orients. Es ist das Harz einiger Baumarten der Gattung Boswellia, die es nach Anritzen der Rinde absondern. Diese wachsen in wüstenähnlichen Gebieten Südarabiens (vor allem Oman und Jemen) und auf der Insel Sokotra am Horn von Afrika. Der persische Arzt Avicenna (arab. Ibn Sina) empfiehlt die innere Anwendung von Weihrauchharzperlen zur „Stärkung des Geistes und des Verstandes“. Hippokrates setzt Weihrauch zur Wundreinigung, gegen Krankheiten der Atemwege und bei Verdauungsproblemen ein. Man wusste nichts über die Wirkungsweise, der Erfolg rechtfertigte die Anwendung. Im Mittelalter nutzte auch Hildegard von Bingen das teure Mittel als Medizin. Die kultische Verwendung bei religiösen Riten wird heute noch praktiziert.
In überreichem Maß beschenkt uns der Orient mit einer Fülle exotischer Gewürze. Farben, Düfte und Geschmacksnoten kann jeder erleben, der einmal das Vergnügen hatte, einen orientalischen Bazar zu besuchen.
Nicht zuletzt verdanken wir dem Orient, dass das Wissen der Antike über Astronomie, Philosophie, Mathematik und Medizin nicht verloren ging. Die historische Region „al-Andalus“ umfasste das Gebiet der iberischen Halbinsel von Spanien und Portugal, das vom 8. bis zum 15. Jahrhundert ein kultureller Schmelztiegel war. Dort lebten Muslime, Christen und Juden friedlich miteinander und wetteiferten darin, die antiken Schriften zu verstehen, zu kopieren, zu kommentieren und zu verbreiten. Durch die Vermittlung des Morgenlands ist das alte Wissen ins Abendland gekommen.
zuletzt bearbeitet am 14.II.2025