30. Jan. 2025
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Amsel, Drossel, Fink und Star und die ganze Vogelschar …
Karl Josef Strank
Den Text dieses bekannten, alten Volksliedes, das den Frühling besingt, verfasste der Dichter Heinrich Hoffmann von Fallersleben im Jahr 1835. Inzwischen gehören Amsel, Drossel und Fink nicht mehr zu den Zugvögeln. Die klimatischen Verhältnisse lassen es heute zu, dass sie auch im Winter genügend Nahrung finden und zu Standvögeln geworden sind. Sie ziehen bestenfalls nur noch kurze Strecken, sollte das Nahrungsangebot nicht ausreichen. Auch bei den Staren, die sich im Herbst zu großen Schwärmen sammeln und am Himmel bewundernswerte Flugmanöver in den Himmel zaubern, ist zu beobachten, dass einige immer häufiger nicht mehr wegziehen.
„Kuckuck, Kuckuck”
Ein unverkennbarer Klang im Frühling ist das „Kuckuck, Kuckuck, ruft´s aus dem Wald.“ Das ertönt aber immer seltener und ich habe es zuhause auf dem Dorf schon gefühlt fünfzehn bis zwanzig Jahre nicht mehr gehört. Als Langstreckenzieher fliegt der Kuckuck zweimal im Jahr zwischen Mitteleuropa und Zentralafrika hin und her. Normalerweise erscheint er Mitte/Ende April bei uns und bleibt nur bis Anfang August. Altvögel, die keine Jungen aufziehen müssen, fliegen schon Juni/Juli zurück, denn die Strecke, die sie bewältigen müssen, ist gewaltig.
Da Wirtsvögel wie Hausrotschwanz und Rotkehlchen immer früher brüten, hat er ein Problem. Kommt er zurück, findet er wenige Nester, in denen die Brut noch ganz am Anfang steht. Darauf ist er aber angewiesen, damit der junge Kuckuck als Erster schlüpft und Eier und Jungvögel seiner Zieheltern aus dem Nest werfen kann.
Wird es dem Kuckuck gelingen, sich auf das frühere Brutverhalten seiner Wirtsvögel einzustellen? Noch wird sein Bestand in Deutschland auf 40.000 bis 60.000 Brutpaare geschätzt. Neben dem allgemeinen Stress, den der Klimawandel verursacht, wirkt sich aber der Rückgang vieler Vögel in Feld und Flur durch die Veränderung der Agrarlandschaft negativ aus. Der Einsatz von Giften lässt viele „Unkräuter“ der begleitenden Flora von Äckern (Mohn, Kornblume, Disteln, Gräser …) und „Schädlinge“ wie Raupen, Käfer, Heuschrecken und andere Insekten verschwinden. Damit reduziert sich die Nahrung für alle brütenden Vögel ganz erheblich.
Die evolutionäre Anpassung
Das Zugverhalten der Vögel ist genetisch verankert, und bislang ging man davon aus, dass es sich nur langsam verändern lässt. Die Mönchgrasmücke ist aber ein Beispiel für die beschleunigte evolutionäre Anpassung. Erstaunlicherweise ist es ihr gelungen, innerhalb weniger Generationen neue Flugrouten und Winterquartiere im Erbgut zu speichern. Gewöhnlich zogen sie im Winter nach Spanien und Nordafrika. Heute zieht ein Großteil der Grasmücken nach Großbritannien. Das immer milder werdende Klima macht dort ein Überwintern möglich. Bei anderen Kurzstreckenziehern führt der Klimawandel dazu, dass sie zu Standvögeln werden und im Winter das Brutgebiet gar nicht mehr verlassen. Arten, die wir bislang in südlichen Regionen verortet haben, breiten sich zunehmend nach Norden aus. Beispiele sind Silberreiher, Wiedehopf und Bienenfresser. Deren Vormarsch vollzieht sich derzeit mit zwei bis zwanzig Kilometern pro Jahr.
Der Klimawandel erfordert eine schnelle und andauernde Anpassung der Arten. Was sich vormals schleichend über viele Jahrhunderte vollzog, geschieht heute innerhalb von wenigen Jahrzehnten. Eminent wichtig für den Vogelzug sind der Schutz und der Erhalt von Rastgebieten auf den Zugstrecken. Insgesamt ist der Klimaschutz eine weltweit erforderliche und unerlässliche Aufgabe.
Der stetige Temperaturanstieg erzeugt chaotische Wetterverhältnisse mit Hitzewellen, Bränden und der Veränderung der Niederschlagsverhältnisse. Es ist absehbar, dass künftig in heißen Sommern Feuchtwiesen stärker austrocknen werden. Arten wie Rotschenkel, Kiebitz, Brachvogel und Bekassine verlieren dadurch ihren Lebensraum. Besonders gefährdet sind Vogelarten, die in arktischen Regionen brüten. Großflächige Lebensräume wie die Tundra und das Meereis gehen verloren mit nicht absehbaren Folgen für die dort lebenden Arten. Unternehmen wir nicht zuletzt im eigenen Interesse alles, um das zu verhindern.
voriger Artikel ← | → nächster Artikel
zuletzt bearbeitet am 14.II.2025